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Die anderen Seiten des Tango
By Matthias on Samstag, 18. Februar 2012
Category: Standard

Die anderen Seiten des Tango

Diese Woche kommt Musik, die wir euch präsentieren möchten, wieder vom Rio de la Plata.
Und im allerweitesten Sinne geht es um Tango…

Denn wir haben es zu tun mit Juan Carlos Cáceres, dem Orquesta Fernandez Fierro und dem Sexteto Ojos de Tango.


Cáceres: Noche de Carnaval

In seinem neusten Album besinnt sich Juan Carlos Caceres auf die Tradition der rioplatensischen Musik… und geht gleichzeitig weit darüber hinaus!
Denn neben den deutlich hörbaren Tango- und Milongaelementen belebt Caceres hier Murga und Candombe, die traditionelle Karnevalsmusik vom Rio de la Plata. Daher wohl auch der Titel "Noche de Carnaval"

Doch der Titel steht auch für ausgelassene und überbordende Stimmung - ebenso wie für eine bunte Mischung, die aus Prinzip alle (Genre-)Regeln außer Kraft setzt und den Spaß an der Sache in den Mittelpunkt stellt. In diesem Sinne ist der Name Programm!
Und deshalb kommen zu Tango, Milonga, Murga und Candombe auch Charleston, Swing und Jazz dazu. Dabei geht es bei weitem nicht die ganze Zeit ums Feiern - die getragenen Momente überwiegen sogar eindeutig. Aber die Musiker haben Spaß und das hört man! Und dabei schafft Cáceres es, dass die Karnevalsrhythmen sich perfekt an den nachdenklichen Gesang seiner bassigen, manchmal leicht kratzig-rauchigen ausdrucksstarken Stimme anfügen!
Die Authentizität, die Cáceres, dieser "tsunami of magma and champagne" hier in der Mischung all dieser Stile rüberbringt, hat wohl zum Einen nicht unwesentlich damit zu tun, dass er zur Musik seiner Heimatregion geforscht und gelehrt hat, zum Anderen damit, dass er sich seine Sporen in einem der damals angesagtesten Jazz-Clubs in Buenos Aires verdiente. Seiner so perfektionierten Vielseitigkeit ist es auch geschuldet, dass er auf diesem Album kein Bandoneón braucht, um die richtige Stimmung zu kreieren… man vermisst es tatsächlich nicht (z.B. Track 11).


Orquesta Típica Fernandez Fierro: Putos

Bei Fernandez Fierro, dagegen, ist das Bandoneón nicht zu überhören!
Diese Jungs sind, das zeigen sie mit diesem Album, so etwas wie die Punkrocker des Tango. Und das macht sich nicht nur an den provokativen Namen ihrer Alben bemerkbar - ihr letztes Album hieß "Mucha Mierda", dieses nun "Putos". Und es ist noch wesentlich wilder und abgedrehter als sein Vorgänger! Ruhepole beschränken sich hier auf einige Passagen innerhalb ansonsten hochdramatischer Lieder. Diese jungen Rebellen, die auch gerne mal ein Klavier von einer Fußgängerbrücke werfen und sich, was politische Statements angeht, nicht den Mund verbieten lassen, haben mehr Energie als drei Sinfonieorchester! Und sie machen absolut ihr eigenes Ding. Einen Major-Deal haben sie bereits abgelehnt und passend zum Independent-Style besteht ihr mittlerweile fünftes Album aus zwei identischen CDs. Die Papphüllen lassen sich an einer perforierten Stelle auseinander reißen und in einer findet man einen kleinen Zettel, auf dem steht, dass man eine behalten und die andere verschenken soll

Sehr sympathisch!
Dieses Album hat eine extreme Power und ist musikalisch höchst anspruchsvoll - auch wenn es für eine abendliche Milonga vielleicht nicht ganz die richtige Wahl ist




Sexteto Típico Ojos de Tango: Ojos de Tango

Dieses Album ist noch bei weitem das "klassischste" der drei vorgestellten CDs


Das Sextett der Pianistin, Komponistin und Arrangeurin Analia Goldberg prägt den Tangos einen rhythmischen, nicht selten stakkatoartigen Stil auf, der aber noch ganz anders ist, als etwa bei Biagi oder auch D'Arrienzo. Manche Passagen sind stark reduziert, nur auf den Rhythmus fokussiert, was den dann folgenden Dynamikwechsel umso mehr unterstreicht.
Diese Musikerinnen und Musiker spielen auf eine eigene Weise mit Reduktion, Akzentuierungen und (kleinen) Pausen, sodass man viele der Tangos auf dieser CD noch einmal ganz neu hören kann! So zum Beispiel "La Mariposa" (Track 1), El Huracan (Track 4) oder "A Evaristo Carriego" (Track 6).
Absolut erwähnenswert sind auch die SängerInnen auf dieser CD! Ganz besonders toll ist dabei der Vals "Caserón de Tejas" (Track 3), intoniert nur mit Klavier und Stimme. Und die harmonieren auf unglaubliche Weise!

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